Hier stelle ich neue & relativ aktuelle Musikveröffentlichungen vor!
Joe Henry – all the eye can see (2023)
- langsamer songwrighterkammerfolk -
Joe Hernry steigert sich von Platte zu Platte. Die 2019ner "the gospel according to water" war schon besonders gut, "all the eye can see" ist herausragend.
Joe Henrys Gitarrenspiel & Gesang bilden die Grundlage des Albums. Sehr reduzierter americana mit globalen folk Anteilen, umgesetzt mit vielen Instrumenten & Gastsängerinnen. Ein kleine Orchester spielt hier mit, allerdings sehr zurück genommen & immer im Sinne der Lieder. Alles auf den Punkt gespielt & gesungen, kein Ton zu viel. Traurig & mitreissend, aber nicht deprimierend, eher tröstlich. Ein Album, das Jahrhunderte überstehen würde, wäre Joe Herny bekannter. So früh im Jahr schon eine Anwärterin für die Platte des Jahres.
Joel Frederiksen – a day with suzanne (2023)
a tribute to Leonard Cohen
- singersongwrighterrenaissancechanson -
Joel Frederiksen hat mit dem Ensemble Phoenix Munich eine ungewöhnliche & ungewöhnlich spannende Platte gemacht. Lieder des großen Leonard Cohen werden kammermusikalisch umgesetzt & in direkte Verbindung gebracht mit französischen Liedern der Renaissange. Chansons gepaart mit Americana. Die Umsetzung kommt aus der Klassischen Musik, sowohl der Gesang als auch die Instrumentierung. Die Lieder Leonand Cohens gehen manchmal dirkt über in die Werke der Renaissange & es ist kein Bruch zu bemerken. Es scheint eine Verbindung zwischen verschiedenen Musikwelten zu geben, die öfter gewagt werden sollte. Wovon lernen, wenn nicht von der Musik? Wer sich auf neue & alte Musik gleichzeitig einlassen kann & will & nicht festgelegt ist auf eine Musikrichtung & eine Art der musikalischen Umsetzung, sollte hier reinhören & wird
sicher vieles entdecken & schätzen.
Leyla Mccalla – breaking the thermometer (2022)
- worldmusic-karibic-kammeramericana -
Anspruchsvolle, nicht immer leicht zugängliche, oft rhytmische Musik. Hypnotisch & tanzbar, aber auch nachdenklich. Immer herausfordernd, aber auch unaufgeregt. Viel Cello & Banjo, versetzt mit karibischen Rhytmen & Klängen. Sozialkritische & feministische Texte. Ein Album zum konzentriert zuhören, mit vielen verschiedenen Einflüssen & Ideen. Es gibt immer wieder Neues zu erhören. Wer offene Ohren für die Welt hat, der möge hier zuhören.
Jack White 2022
(ehem. Mitglied des Duos the white stripes)
veröffentlichte dieses Jahr zwei beachtenswerte Alben
1. fear of the down (2022)
- experimenteller independent hardrock -
Viele Brüche & Anspielungen & Ideen auf der Basis von Blues. Sehr spannend & kurzweilig & laut & krachig & schnell & dann mal kurz leise & langsam. Geeignet zum Luftgitarre spielen & abtanzen.
Led Zeppelin mit den Rolling stones verwurschtelt & neu gewürzt.
2. entering heaven alive
- experimenteller independent folk worldmusic rock -
Viele Brüche & Anspielungen & Ideen auf der Basis von Blues. Sehr spannend & kurzweilig & inelligent & melodiös. Meist im mittleren Tempo, mal langsam, mal schneller. Geeignet zum mitsingen & tanzen.
The Beatles verwurschtelt mit Bob Dylan & neu gewürzt.
Beide Alben sind gut. Wer nur eines kaufen will, stellt sich einfach die Frage: Stones oder Beatles?
Björk – jossora 2022
- Elektroklassik Kammertechno -
Ein neues Björk Album war bisher immer ein gutes Album & daran hat sich mit – jossora- nichts geändert. Ob es sich um ein sehr gutes Album handelt, hängt von den Vorlieben der Hörerinnen ab. Im Gegensatz zum letzten Album, gibt es hier wieder viele Beats, die zwar zum tanzen anregen, aber immer wieder ge- & unterbrochen werden. Häufig erklingen mehrere Bassklarinetten & diskutieren mit den Beats. Dann kommen harmonische Streicher, die wieder in rhytmisches Hämmern übergehen. Dazu dieser einmalige Gesang, der trotz aller Brüche & Herausforderungen, alles zu Liedern zusammenfügt. Laut – Leise, Schnell – Langsam, Harmonisch – Schräg, im ständigen Austausch. Nichts zum nebenbei hören, hier ist die Hörerin gefordert. Doch es lohnt sich, sich die Zeit & die Konzentration zu nehmen. Für mich ist jossora ein sehr gutes Björk Album.
Simon Joyner – songs from a stolen Guitar
- singersongwrighterfolk -
Ein verkanntes Genie mit einem genialen Album. Viel akustische Gitarre, wehmütige Streicher, meistens langsam & songorientiert, gelegentlich etwas rhytmischer, aber nie rockig. Dazu dieser unverwechselbare rauhe, leicht hohe & brüchige Gesang. Häufig klingen die Lieder bewusst schräg, obwohl alles vollkommen stimmig ist. Wenn diese Musik auf einer gestolenen Gitarre entstanden ist, dann ist klar, dass es Situationen gibt, in denen Diebstahl notwendig ist, um etwas wichtiges & bleibendes zu erschaffen. Toller Titel, tolles Lied, tolle Platte.
Anne Clerk – borderland (Sep. 22)
(with Ulla van Daelen & Justin Ciuche)
- Kammerfolk mit Sprechgesang -
Wer Anne Clark kennt, erkennt sofort die Stimme – wie früher – nur ohne Beats.
Geige, Harfe & Stimme, mehr braucht es nicht, um ein phantastisches Album zu machen. Sowohl die Instrumente, als auch die Stimme sind perfekt eingesetzt, als gehörten sie von Natur aus zusammen. Improvisierte Konzeption oder konzeptionelle Improvisation. Ein Album zum träumen, nachdenken & oder traurig sein. Wer keine Beats braucht, kann auch tanzen. Die Musik ist irgendwie sphärisch, wird aber durch die Stimme im Lied gehalten & auf den Punkt gebracht. Exzelenter Klang. Musik für die Ewigkeit.
Nina Nastasia – riderless horse (2022)
- singer-songwrighterinnenfolk -
Ich hatte schon befürchtet, Nina Nastasia hätte aufgehört Musik zu machen. Es waren wohl private Probleme, die eine zwölfjährige Pause auslösten. Jetzt veröffentlichte sie endlich wieder ein Album, welches extrem gut ist. Nina Nastasia singt mit klarer & deutlicher Stimme & begleitet sich dabei mit der akustischen Gitarre. Gradlinig – reduziert – langsam – intensiev – traurig – klingen die Lieder. Wieder produzierte der großartige Steve Albini & unterstützte Nina dabei, dieses herausragende Album zu machen. Lieder, die in zwanzig Jahren am Lagerfeuer gesungen werden könnten, wären sie nicht so gut. Denn wer soll sie nachsingen? Ganz weit vorne bei den besten Platten des Jahres. Mit vielen Gänsehaut Momenten.
Lucy Kruger and the lost boys (2022)
- teen tapes (for performing your owa stunts)
- ausgebremster, psychedelischer sadcoredreamrock -
Wie eine einsame Fahrt durch endlos weite Landschaft. Viel verzerrte E-Gitarre mit weiteren Effekten. Dazu häufige Brüche, laut-leise, langsam-noch langsamer-Stillstand. Schlagzeug plus wenige aber effektive elektronische Beats. Gehauchter, Geflüsterter, Gesprochener Gesang. Insgesamt extrem hypnotisch, innerhalb klarer Songstrukturen. Ein Album, das hilfreich sein kann, aus dem Alltag heraus zu kommen, in einen tranceartigen Zustand, um so andere Welten kennen zu lernen.
King Hannah – i'm not sorry, i was just beeing me (2022)
- hypnotisch jazziger psychedelic slow rock -
Vom ersten Ton an ist klar, hier passiert etwas Besonderes. Auf hypnotischer Basis, mit einem leicht jazziges Schlagzeug, verleppten E-Gitarren, & melancholischem weiblichem Gesang, gelingen zwingende Lieder. Immer wieder Kommentare verschiedener Instrumente, mal mit Feedback, mal ein Gitarrensolo alter Schule oder auch einzelne Töne & Laute. Lieder die klingen, als wären sie Freunde seit Jahrzehnten, die aber immer wieder überraschen & Spannung erzeugen. Stimmig in jeder Hinsicht, auch in den schrägen Momenten. Tolle & wichtige Entdeckung.
The Delines – the sea drift (2021)
-leicht funkiger soulamerikana -
Ein wunderbar entspanntes Album, zwischen Lambchop & Tindersticka & Mary Gauthier (vor allem der Gesang von Amy Boone) Gelassene Bläser (Trompete, Saxophon), zurückhaltene Streicher (Viola, Cello), verfeinern die amerikana songs. Alles ganz ruhig & unaufgeregt, ohne je banal zu sein. Es gibt viel zu erhören, immer wieder spannende Momente durch einzelne Instrumente. Zurück lehnen, Augen schließen & hören.
Jochen Distelmeyer – gefühlte Wahrheiten (2022)
- singersongwrighter blues Pop -
Dieses Album ist eine Freundin für den Alltag.
Mehrere Lieder sind für die Ewigkeit. Für mich das beste Jochen Distelmeyer Album. Tolle, verständliche & nachvollziehbare Texte, die zum nachdenken anregen & gelassene, gleichzeitig aber zwingende Musik. Neun deutschsprachige & drei englischsprachige Lieder. Manche halten Musik, Gesang & Texte, Jochen Distelmeyers, seit der letzten Veröffentlichung seiner Band Blumfelf für Schlager oder Kitsch. Ich kann nur raten richtig hin zu hören, denn bei den englischsprachigen Liedern wird deutlich, dass es hier um Musik geht, die auch von den großen amerikanischen Songwrightern stammen könnte & niemand käme auf die Idee Kitsch zu rufen.
Die deutschsprachigen Lieder sind ebenso gut & die Texte häufig tiefsinnig & voller Methaffern.